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Foto: Sassi / www.pixelio.de

Hinweise auf sexualisierte Gewalt

Nachricht Bremervörde, 24. September 2024

Aktenfunde ergeben Hinweise auf Gewalt und sexualisierte Gewalt in der Heimkinderunterbringung in den 1950er/60er Jahren in Pflegestellen in Elsdorf

Die Kirche in Elsdorf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden vielfach Heimkinder in Pflegestellen untergebracht und haben dort oft Vernachlässigung, physische, psychische und sexualisierte Gewalt erlebt.

In den 1950er und 1960er Jahren hat auch die Pestalozzi-Stiftung (Burgwedel) Kinder und Jugendliche in Pflegestellen auf Gehöften oder in Handwerksbetrieben in Elsdorf und Umgebung (Landkreis Rotenburg) untergebracht. Dies geschah in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Pfarramt der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde.

Dem Kirchenkreis Bremervörde-Zeven, zu dem die Kirchengemeinde Elsdorf heute gehört, und der Landeskirche Hannovers liegen neue Hinweise vor, dass aus der Heimunterbringung vermittelte Kinder und Jugendliche in jener Zeit Gewalt und sexualisierte Gewalt in den Pflegestellen erlitten haben. In einem Fall richten sich Beschuldigungen, die in den Bereich der sexualisierten Gewalt fallen, gegen einen Mitarbeiter, der im o.g. Zeitraum in der Kirchengemeinde Elsdorf tätig gewesen ist. 

Im Jahr 2014 hatte eine betroffene Person einen Antrag auf Anerkennungsleistungen wegen der Erfahrung Sexualisierter Gewalt durch einen kirchlichen Mitarbeiter in Elsdorf gestellt. Der Beschuldigte war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. Nach Prüfung auf Plausibilität der geschilderten Missbrauchserfahrungen sprach die unabhängige Anerkennungskommission für das erfahrene Unrecht der betroffenen Person eine Anerkennungsleistung zu.

Weitere Hinweise auf Sexualisierte Gewalt erhielten die Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche Hannovers und der Kirchenkreis Bremervörde-Zeven im Februar 2024. Nach Funden von Akten im Pfarrhaus in Elsdorf im Juli und September 2024, hat die Fachstelle der Landeskirche bis jetzt Teile der Akten gesichtet. Sie enthalten Dokumente und Daten von Kindern und Jugendlichen, die in den 50er und 60er Jahren in Pflegestellen vermittelt worden sind. Die Akten umfassen auch Briefe der Jugendlichen, die sie an einen kirchlichen Mitarbeiter in Elsdorf geschickt haben. Darin schildern einige von ihnen auch unterschiedliche Gewalt- und Missbrauchserfahrungen in ihren Pflegestellen.

Die Sichtung der Akten ist noch nicht abgeschlossen, die genannten Erkenntnisse sind ein Zwischenergebnis, die das Leid dieser Kinder noch nicht vollständig benennen können.

Für den Bereich der Heimerziehung in den Mitgliedseinrichtungen der Diakonie Niedersachsen legten Ulrike Winkler und Hans-Walter Schmuhl 2011 mit „Heimwelten“ eine Quellensammlung vor, die einen differenzierten Blick auf die Jahre 1945 bis 1978 erlaubten.

Superintendent Carsten Stock. Foto: Simon Laufer

Carsten Stock, Superintendent im Kirchenkreis Bremervörde-Zeven, sagt: "Es erschreckt mich zutiefst, was Kinder und Jugendliche offenbar in der Nachkriegszeit an Gewalt und Sexualisierter Gewalt erlitten haben. Dass ein kirchlicher Mitarbeiter von den Vorgängen offenbar Kenntnis hatte und es den Verdacht gibt, dass er selbst sexualisierte Gewalt gegenüber einer jugendlichen Person begangen hat, finde ich furchtbar. Die Hinweise, die uns vorliegen, nehmen wir sehr ernst und gehen ihnen konsequent nach.“ Und weiter: „Wir bitten betroffene Personen, sich bei externen Meldestellen zu melden, bei der Fachstelle der Landeskirche oder auch beim Kirchenkreis. Dann können wir ihnen die Unterstützung vermitteln, die sie möchten.“

Auch der Vorstand der Pestalozzi-Stiftung ist aufrichtig entsetzt: „Es ist für uns heute unvorstellbar, dass die Verantwortlichen der damaligen Zeit, im Rahmen ihrer Vermittlung und Begleitung, den Vorwürfen von Gewalt und sexualisierter Gewalt nicht nachgegangen seien sollen und diese Gewalt vielleicht sogar tolerierten“, sagt Vorstand Sebastian Bernschein.

Der Kirchenkreis bittet betroffene Personen und auch alle, die weitere Hinweise auf die Taten geben können, sich zu melden. Die Hinweise werden dann in ein Aufarbeitungsprojekt einfließen.

Meldestellen für betroffene Personen

Betroffene Personen oder Personen, die Hinweis geben möchten, können sich an die folgenden kirchlichen und nichtkirchlichen Meldestellen wenden:

Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche Hannovers, Tel.: 0511-1241299,  https://praevention.landeskirche-hannovers.de/

Kirchenkreis Bremervörde-Zeven, Superintendent Carsten Stock, Carsten Stock, Tel.: 04761-2383, E-Mail: sup.bremervoerde@evlka.dehttps://www.kkbz.de/Kirchenkreis/Superintendentur

Wildwasser-Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt, Tel.: 04261-2525, Mobil: 0176-55699458, https://www.wildwasser-rotenburg.de/

Zentrale Anlaufstelle HELP - Hilfe für Opfer von Missbrauch in Kirche und Diakonie, Tel.: 0800-5040112, https://www.anlaufstelle.help/

Hilfeportal sexueller Missbrauch der unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM): Tel. 0800-2255530, https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/startseite

Schutzkonzept des Kirchenkreises

Der Kirchenkreis Bremervörde-Zeven hat ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt erarbeitet. Im Kirchenkreis gelten wie in der gesamten Landeskirche Hannovers als leitende Prinzipien zum Schutz vor sexualisierter Gewalt: Null Toleranz gegenüber den Taten und Transparenz bei der Aufarbeitung. In allen Arbeitsbereichen der Landeskirche, insbesondere aber in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen in Abhängigkeitsverhältnissen sowie in Seelsorge- und Beratungssituationen, gilt es, wachsam zu sein und entschieden gegen sexualisierte Gewalt einzutreten. Das Schutzkonzept und weitere Informationen gibt es auf dieser Seite